Iznik Keramik als Medium im interkulturellen Austausch

Von Isabelle M. Beck

Erkennt man an der  künstlerischen Entwicklung der Iznik Keramik auch parallel die geschichtliche Entwicklung des Osmanischen Reiches? Inwieweit beeinflusst die Iznik Keramik, die aus verschiedenen kulturellen Einflüssen entstanden ist und ihren eigenen Stil gefunden hat, Europa?

Im Folgenden soll untersucht werden, wie die Iznik-Keramik in geschichtliche Zusammenhänge eingeordnet werden kann, welche Bedeutung die Stadt Iznik für ihre Entwicklung hat und wie ihre Auswirkungen auf Europa sind.

Die geschichtliche Entwicklung der Iznik-Keramik

Die Produktion der Iznik Keramik begann unter der Herrschaft der Osmanen im 14. Jahrhundert in der Stadt Iznik. Lange Zeit lebte die Bevölkerung als Halbnomaden und die ersten Sultane waren eher bescheiden und ohne besonderen Luxus wie Carswell (1982: 10) beschrieben hat: „Die ersten Angehörigen der Dynastie sind fast mythische Figuren gewesen, wie Osman selbst, der dem Haus den Namen gab“.

Später im Zuge der Sesshaftigkeit und der Etablierung des Sultanats, nahmen nach Carswell (1982: 10) die osmanischen Herrscher immer mehr ein Leben des Wohlstandes an. Sie verspürten das Bedürfnis ihre Herrschaft in prächtigen Bauten wie z.B. Moscheen, Grabstätten oder auch in alltäglichen Gegenständen zu manifestieren.

Durch die Eroberung der Städte Täbris, Aleppo, Damaskus und Kairo zum Beginn des 16. Jahrhunderts, gelangte chinesisches Porzellan in das Osmanische Reich. Welches die osmanische Keramik beeinflusste. Darüber hinaus wurde die osmanische Keramik auch durch persische Waren der Timuriden und der Safawiden beeinflusst (Auf der Suche nach dem neuen Stil 1998: 30-31).

Im Sultanspalast gab es „Werkstätten und Ateliers für Entwürfe. Dort wurden zum Beispiel die Musterzeichnungen für die Iznik-Fliesen, die die königlichen Moscheen schmücken sollten, und für die Brokate der kaiserlichen Kaftane gefertigt. Reichtum und Gunst konzentrierten sich daher auf eine auserwählte Klasse, die durch ihre intensive Erziehung ein waches Gefühl erwarb für einen – genuinen osmanischen – Stil, der jeden Aspekt ihres Lebens prägte“. (Carswell 1982:13)

Im 17. Jahrhundert nahm die Produktion ab, da sich die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bedingungen verschlechtert hatten.

Besonderheiten der Stadt Iznik für die Keramik

Iznik ist nach Ausgrabungen von Prof. Oktay Aslanapa schon vor dem 16. Jahrhundert ein Zentrum für die Herstellung von Töpferware gewesen (Carswell  1982: 73).

Carswell (1982: 79) geht davon aus, dass die Töpfer in größerer Nähe zur neuen Hauptstadt Istanbul ziehen wollten und ergänzt, dass durch den Reisebericht von Dr. J. Covel vom 17. Jahrhundert, in der Nähe Izniks reichlich Rohstoff (Ton) für die Keramik vorhanden war und es dort schon eine Töpfertradition gab. Außerdem verbreitete sich die Keramik auch durch Vorbeikommende, denn um nach Istanbul von Aleppo, Damaskus, Bursa oder Izmir zu gelangen, kam man an Iznik vorbei.

Charakteristikum der Iznik Keramik

Es handelt sich bei der Iznik Keramik um Quarzfritte-Keramik. Besonders hervorzuhaben ist das Bolus-Rot, welches in dieser Zeit besonders beliebt war sowie die floralen Motive, mit denen die Keramik bemalt wurde. Untersuchungen ergaben,

„dass es sich bei den im 15.-17. Jahrhundert hergestellten Waren um sogenannte Quarzfritte-Keramik handelt, das heißt um eine Keramik, deren Grundmaterial sich aus Quarz, weißem Ton  und Fritte (also pulverisiertem Glas) zusammensetzte. Der aus diesem Material hergestellte Rohling erhielt einen dünnen weißen Anguß, auf den eine Bemalung in Unterglasurfarben aufgetragen wurde. Dabei wurde Kobalt für Blautöne verwendet, Kupfer-, Nickel- und Manga-Oxid für Grün. Das leuchtende Bolus-Rot wurde durch eine eisenhaltige Engobe, mit der der Scherben bemalt wurde, erzeugt. Schließlich erhielt der dekorierte Rohling eine transparente Glasur aus Blei- Oxid, Silizium, Soda und Zinn-Oxid und wurde bei etwa 1200 °C gebrannt“. (Auf der Suche nach dem neuen Stil 1998: 33)

Das Besondere der Iznik Keramik wird im Ausstellungskatalog des Bayrischen Armeemuseums mit dem Thema: „Osmanisch-türkisches Kunsthandwerk aus süddeutschen Sammlungen“ wie folgt beschrieben:

„Den Kompositblüten, Wolken und Fliederblättern, den Arabesken folgt in der Mitte des 16. Jahrhunderts auch in der Keramikmalerei die prächtige Frühlingsflora mit Tulpen, Hyazinthen, Nelken und Rosen. Die Farbigkeit von Kobaltblau, Hellblau und Mangan wird bereichert durch reliefstark aufgetragenes Rot, eine neuartige kunsthandwerkliche Leistung aus Iznik, die in aller Welt bewundert wird“. (Osmanisch-Türkisches Kunsthandwerk 1979: 53)

Die Iznik Keramik wird in mehrere Schaffensperioden eingeteilt, die im nachfolgenden vorstellt werden.

Die frühosmanische Keramik oder auch „Blauweiß-Ware“ wurde durch das Mingporzellan beeinflusst, welches an den Hof gelangte. Sie ist:

„[…] eine Nachahmung des chinesischen blauweißen Mingporzellans […]. Die Keramik gehört dem 15. Und dem beginnenden 16. Jahrhunderts an. Zwei Spielarten sind dabei zu unterscheiden, eine stärker dem chinesischen Vorbild verhaftete, die sog. Kütahya-Ware, und eine stärkere islamisierte, die sog. Goldene-Horn-Ware“. (Otto-Dorn 1957: 71)

Die Motive der frühen monochromen Iznik-Ware bzw. der „Goldenes-Horn“-Gruppe sind „chinesischen und islamischen Vorbildern entlehnt […], sie zeigen nicht die Spontanität der frühen, sechseckigen Fliesen in Edirne“ (Carswell 1982: 81).

Die Stücke haben nach Carswell (1982:82) einen harten, weißen Scherben und sind in verschiedenen Schattierungen von Unterglasur-Kobaltblau gemalt. Neben dem Kobaltblau kam ein leuchtendes Türkisblau hinzu.

Verwendete Formen sind nach Carswell (1982:81) große Vasen, tiefe Schüsseln, Moscheenlampen, Pilgerflaschen, Schreibzeuge, Krüge und Humpen.

Die Eigenschaften der späteren Polychromen Arbeiten auch “Damaskus“-Ware genannt, sind nach Carswell (1982:83) die Verwendung der Farben Moosgrün, Grau und Manganviolett, Kobaltblau und Türkis und ein freier Zeichenstil.

Hier wird der Schwerpunkt auf „lange, gebogene und gezahnte Blätter, fleischige Rosetten, Lotuspalmetten und andere elegant durch Wellenranken verbundene Blüte, oft auch im Zusammenhang mit den vertrauten Wolkenbändern und Arabesken“ (Carswell 1982: 83) gelegt.

Die Besonderheit der osmanischen Kunst in der klassische Periode der Iznik-Keramik (zweite Hälfte des 16.Jahrhunderts) liegt „in der auffälligen Blumenliebhaberei der Türken selbst, die sich im 16. Jahrhundert zu einer wahren Leidenschaft steigerte, und von der die gesamte Bevölkerung ergriffen war“ (Otto-Dorn 1957: 105).

„In einem Ferman vom Jahr 1579 werden für den Bedarf der Hofgärten aus Aziz bei Aleppo 50.000 hellblaue Hyazinthen aus den Bergen von Maras beordert. Nach einem Erlass vom Jahr 1587 kamen aus Edirne Rosensetzlinge für den Palastgarten. (…) Auch die Tulpenzucht spielte im 16. Jahrhundert bereits eine Rolle. Wir wissen, dass Busbeck (der Gesandte Ferdinands I. hinzugefügt vom Autor) auch die Tulpe erstmalig nach Europa brachte“. (Otto-Dorn 1957: 105)

Nach Carswell (1982:84) erreichen die floralen Motive einen übersteigerten Realismus, der nicht viel mit der Natur gemein hat. Dieser Stil wurde zum Inbegriff des Höhepunkts kaiserlich-osmanischer Kunst.

Laut Carswell (1982: 85) wurden einige Moscheen in Istanbul mit Fliesen aus dieser Periode ausgestattet, z. B. die Süleymaniye-Moschee (1550-1557), die Rüstem Pasa-Moschee (1561), die Moschee von Sokollu Mehmed Pasa (1571) und die Piyale Pasa Moschee (1573). In Edirne bekam die Selimiye-Moschee (1567-1574) aus Iznik Fliesen.

Ebenfalls wurde die Iznik-Keramik nach Otto-Dorn (1957: 108) für die Verkleidung der Außenwände des Felsendoms in Jerusalem genutzt.

Der Niedergang der Iznik Keramik

„Gegen Mitte des 17. Jahrhunderts setzte dann der Niedergang der Manufakturen in Iznik ein. Sie fielen veränderten wirtschaftlichen Gegebenheiten zum Opfer, die durch eine Reihe von Faktoren verursacht waren. Der offenkundigste war der Niedergang der osmanischen Staatsgewalt (…). Der Fortfall der bisherigen staatlichen Förderung brachte zahlreiche Töpfer um ihre Lebensgrundlage, so dass die Zahl der Betriebe abnahm“. (Carswell 1982: 86)

Der künstlerische Niedergang wird nach Otto-Dorn (1957:123) mit Farbänderungen beschrieben, das Weiß strahlt nicht mehr, die Farbenklarheit verschwimmt und das Bolusrot hat nicht mehr die gleichmäßige Färbung. Am Ende werden nur noch die Farben Blau und Grün verwendet. Das Bolusrot wird nur noch für die Tulpe und die Nelke benutzt. Das Schwarz wird zu einem Graubraun und die Grundfärbung mit der blauen Farbe wird nicht mehr benutzt. Auch verschwindet der freie Zeichenstil.

Auswirkungen der Iznik Keramik auf Europa

 Die Iznik Keramik fand zahlreiche Anhänger und beeinflusste die europäische Keramik.

Die türkische Kunst und das türkische Kunstgewerbe haben einen tiefen Einfluss auf das europäische Kunstgewerbe gehabt, es entwickelte sich eine „Turquerie“, die vom 16. bis ins 19. Jahrhundert zahlreiche europäische Anhänger fand (Auf der Suche nach dem neuen Stil 1998: 9).

So wurden unter andrem Ungarn, Engländer, Deutsche, Österreicher, Italiener und Spanier auf sie aufmerksam.

„Der österreichische Botschafter David Ungnad kaufte dort (Iznik – nach Autor) in den Jahren 1573 bis 1578 für beträchtliche Summen Töpferwaren und Fliesen, die er über Venedig nach Hause verschiffen ließ. Iznik-Keramik in europäischen Sammlungen mit zeitgenössischen europäischen Metallfassungen beweisen die Wertschätzung, die man trotz der Konkurrenz chinesischer Porzellane feinster Qualität den türkischen Erzeugnissen  entgegenbrachte. Fragmente von Iznik-Ware wurden in so weit entfernten Gegenden wie in Essex, London, Budapest, auf der Krim, in Jerusalem und in Nubien gefunden“. (Carswell 1982: 85)

In dem Buch „Auf der Suche nach dem neuen Stil“ (1998: 17) wird der Einfluss der Iznik-Keramik auf die europäischen Keramikproduzenten z.B. auf die ungarische Keramik-Firma Vilmos Zsolnay, die englischen Firmen Minton, Doulton und Maw & Co., sowie bei dem  wichtigsten deutschen Keramikproduzenten Villeroy und Boch, vorgestellt.

Die Keramik wurde zu besonderen Zwecken benutzt. Laut dem Buch „Auf der Suche nach dem neuen Stil“ (1998: 45) wurden sie für die Innenraumgestaltung verwendet. Heute noch ist ein Rauchzimmer, das mit Fliesen im osmanischen Stil dekoriert ist, im ehemaligen Palais der englischen Adelsfamilie Hertford-Wallace in London erhalten geblieben. Darüber hinaus stattete man Räume und Gebäude z.B. Bäder, Cafés, Tabak-Salons oder Fabriken, die man mit dem Orient assozierte, mit einem besonderen Ambiente aus, in denen auch osmanische Fliesen nicht fehlen durften.

Fazit

Die Besonderheit der Iznik Keramik ist, dass sie als kulturelles Medium die geschichtliche und kulturelle Entwicklung des osmanischen Reiches wiederspiegelt. Die Anfänge sind noch von den Einflüssen der Chinesen und Perser durchdrungen. Später entsteht ein eigener Stil mit bisher unbekannten Farben und reichen Ornamenten, der sich wiederrum über Europa verbreitet. Die Blütezeit des Osmanischen Reiches ist auch die Blütezeit der Iznik-Keramik. Wie wir hier sehen, ist es möglich, dass sich Kulturen beeinflussen, sowie einen eigenen Charakter entwickeln können, der wiederrum andere Kulturen beeinflusst.

Literaturverzeichnis

 Auf der Suche nach dem neuen Stil (1998): Auf der Suche nach dem neuen Stil. Der Einfluß der osmanischen Kunst auf die europäische Keramik im 19. Jahrhundert. Bonn Wissenschafts-zentrum 11. September  1998 bis 10. Januar 1999 [Ausst. Katalog Annette Hagedorn]. Potsdam: Staatliche Museen zu Berlin.

 Carswell, John (1982): Keramik. In: Petsopoulos, Yanni (Hg.): Kunst und Kunsthandwerk unter den Osmanen. München: C. H. Beck Verlag, S. 73-120.

Osmanisch-Türkisches Kunsthandwerk (1979): Osmanisch-Türkisches Kunsthandwerk: Aus süddeutschen Sammlungen. Ingolstadt Neues Schloß 1. September – 4. November 1979  [Ausst. Katalog Bayrisches Armeemuseum]. München: Callwey.

Otto-Dorn, Katharina (1957): Türkische Keramik. Ankara: Türk Tarih Kurumu Basimevi.

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